19.03.2019

Droht der Stadthalle die Warteschleife?

Der Stadtrat soll Anfang Mai Grundsatzbeschlüsse zu deren Sanierung verabschieden. Das gefällt nicht allen. Gefährden sie die Millionen von Bund und Land? Bleibt die Stadthalle auf Dauer nur ein Modell oder können sich Stadträte und Verwaltung auf die Sanierung einigen? Dieses abgebildete Modell gehört zur Fenstergestaltung eines leerstehenden Ladens auf der Dr.-Friedrich-Straße. © Verein

 

Von Sebastian Beutler  5 Min. Lesedauer

 

Die Stadthalle als Parkhaus, Schwimmbad, Einkaufszentrum, Pflegeheim? Oder doch eher als Heimstatt der Schlesischen Hofreitschule, eines Zirkusfestivals oder einer Expo-Dauerausstellung? Die Vorschläge werden immer ausgefallener, je näher die Entscheidung über die Sanierung der Stadthalle rückt. Jedenfalls kamen diese Vorschläge während eines Werkstattgespräches der OB-Kandidatin Franziska Schubert zur Stadthalle auf und fanden ihren Niederschlag in Schuberts Schreiben mit den Ergebnissen des Treffens an die Stadtverwaltung und den Stadtrat.

 

Dass mancher die Stadthalle eher abreißen, sie ihrer Historie entkleiden und am liebsten aus dem Görlitzer Stadtbild verschwinden lassen möchte, ist nicht erst seit ein paar Wochen bekannt. Bislang hatten es solche Vorschläge aber noch nicht in politische Papiere von Rang geschafft. Das ist das Neue an dem Schreiben der OB-Kandidatin Franziska Schubert. Dass an dem Nachmittag im Februar auch Ideen erneut geäußert wurden, die schon länger immer mal wieder eine Rolle spielten – Stadthalle als Musical-Stätte, als Hochschul-Domizil, als Sitz eines Arte-Außenbüros, als Museum für den 15. Meridian – macht deutlich, dass sich die Diskussionen seit Jahren im Kreis drehen.

 

Dabei schien es seit Mitte vergangenen Jahres, als wenn das Thema Stadthalle geklärt sei: Der Bund und das Land geben zusammen 36 Millionen Euro für die Sanierung des denkmalgeschützten Objektes sowie einen Anbau zur Neiße hin. Die Stadthalle könnte dann für Konzerte aller Art und Kongresse und Tagungen genutzt werden. Genau dieses Zukunftsmodell, so schreibt Franziska Schubert, hätte auch die Mehrheit auf ihrem Treffen vertreten. Das ist auch nichts Überraschendes, weil eine Studie zur Nutzung von 2011 genau zu diesem Ergebnis kam. Also alles klar?

 

Der Stadtrat Anfang März streute da neue Unsicherheit. Bürgermeister Michael Wieler sprach nur in Andeutungen über neue Entwicklungen bei der Agentur Drees & Sommer, die vor mehr als sieben Jahren eine Machbarkeitsstudie erarbeitete und nun auf Bitten der Stadt überprüft, ob die damals vorgelegte Expertise noch Bestand hat. Jedenfalls scheint das Büro, dessen federführender Mitarbeiter bereits den Umbau des Dresdner Kulturpalastes begleitet hat, so neue Ideen vorgelegt haben, dass das Rathaus innerhalb kürzester Zeit die Stadträte zu einer Klausurtagung zusammenrufen wollte. Es sollen dabei keine Beschlüsse gefasst werden, erklärte Wieler, sondern es ginge um einen Gedankenaustausch über „neue Ideen von Drees & Sommer“. Die Stadträte wollten nicht so schnell, so soll die Beratung nun am nächsten Montag oder kommenden Freitag stattfinden. Wieler machte aber deutlich, wie entscheidend die Klärung in der Sache ist. Denn wenn die Stadt die neuen Ideen weitergehen soll, dann müsste der Auftrag an Drees & Sommer präzisiert und erweitert werden. Was der neue Vorschlag beinhaltet, ist bislang nicht öffentlich geworden. Es heißt lediglich, es ginge um Alleinstellungsmerkmale. Ob die Stadthalle stärker auf einen Ort für klassische Konzerte oder Festivals ausgerichtet werden soll oder doch das Tagungssegment jetzt lukrativer erscheint, wo selbst Hotels am See größere Kongressmöglichkeiten vorsehen und offensichtlich dafür einen Markt sehen, das bleibt offen.

 

Doch stellen sich damit gleich wieder viele Fragen. Beispielsweise die, ob damit die weitere Terminkette des Rathauses gefährdet ist. Bislang steht die Ankündigung von Oberbürgermeister Siegfried Deinege, in der April-Sitzung der Stadträte beschließen zu lassen, wer die Stadthalle künftig betreibt und auf welcher Planungsgrundlage. Da wegen des Osterfestes und der anschließenden Schulferien die Stadträte zu ihrer April-Sitzung erst Anfang Mai zusammenkommen, ist noch ein bisschen Zeit.

 

Aber auch politisch ist diese Abstimmung umstritten. Franziska Schubert beispielsweise plädiert für eine Entscheidung ohne Eile. Ihre Unterstützer haben sich wie Motor-Görlitz-Sprecher Mike Altmann ganz klar dafür ausgesprochen, dass erst der nächste Stadtrat darüber entscheidet. Also frühestens nach der Sommerpause. Bürgermeister Michael Wieler, dessen Bürgerverein auch Franziska Schuberts zu ihrer OB-Kandidatin bestimmte, ist eher für eine schnelle Abstimmung, um den weiteren Zeitplan zu halten, sieht jedenfalls keinen Widerspruch zu Franziska Schubert. Deren Wunsch, dass die Bürgerhinweise bei der Erarbeitung des Nutzungskonzeptes einfließen sollen, würde nicht einem Beschluss des Stadtrats Anfang Mai im Wege stehen: Dort soll noch kein Betreiber- oder Nutzungskonzept beschlossen werden. Die Linke hat eh viele noch offene Fragen. Wie da eine Mehrheit im Stadtrat bis Ende Mai zustande kommen soll, ist eine weitere spannende Frage.

 

Selbst wenn aber Anfang Mai der Stadtrat entscheidet, ob die Stadt oder eine ihrer Tochtergesellschaften die Halle betreibt, und dass die Sanierung auf der Grundlage der vorliegenden Planung von 2012 fortgesetzt wird, gibt es weitere Zweifel. Und die hat die Stadtverwaltung selbst gesät – mit der Synagoge. Wie dort soll auch bei der Stadthalle die Planung des Baus erneut ausgeschrieben werden. 2012 war eine Arge am Wirken, die es gar nicht mehr gibt, nur der Görlitzer Teil um das Architekturbüro Wünsche + Langer ist noch aktiv bei der Sanierung des Kleinen Saals.

 

Selbst wenn dieses Büro sich an der Ausschreibung beteiligt, ist nicht gewiss, dass es bei der europaweiten Ausschreibung erneut zum Zuge kommt. Einem neuen Architekturbüro aber wird das Rathaus genauso wie bei der Synagoge das Recht einräumen müssen, die vorliegenden Pläne zu prüfen, schließlich muss es dafür die Verantwortung übernehmen. Da drohen neuer Zeitverzug und vermutlich auch Mehrkosten.

 

Über all das diskutieren die Stadträte derzeit nur hinter verschlossenen Türen. Die OB-Kandidaten aber müssen vielleicht schon am Donnerstagabend dazu öffentlich Stellung nehmen. Denn auf Einladung des Stadthallen-Fördervereins diskutieren sie ab 18 Uhr im Görlitzer Wichernhaus.