13.04.2019
Es gibt neue Zweifel an Stadthallen-Plänen
Der Görlitzer Stadtrat soll noch vor der Kommunalwahl die Sanierung der Halle beschließen. Doch das scheint gefährdeter denn je.
Von Sebastian Beutler
An diesem Sonnabend werden die Mitglieder des Stadthallen-Fördervereins wieder zu Rechen und Harke greifen, und den Stadthallengarten für die neue Saison aufräumen. Unermüdlich setzen sie sich für die Halle und das Gelände ein. Görlitzer und Einwohner aus den Dörfern rund um die Stadt, die der Gedanke eint, wieder einmal zu einer Veranstaltung, zu einem Konzert oder einem Tanzabend in die sanierte Stadthalle gehen zu können.
Seit die Halle 2004 geschlossen wurde, weil die Stadt die Betriebskosten nicht mehr schultern wollte oder konnte, gab es einige Anläufe zu ihrer Sanierung. Der vielversprechendste wurde 2012 vom amtierenden Oberbürgermeister Siegfried Deinege abgesagt. Grund: Er war nicht überzeugt davon, innerhalb der vorgeschriebenen Frist, die Halle sanieren zu können. So brach er die Sanierungsvorbereitungen ab, um nicht im Falle der Bauzeitüberschreitung Fördermittel zurückzahlen zu müssen und, wie er sagte, „die ganze Stadt an die Wand zu fahren“.
Doch die Planungsunterlagen, für die die Stadt über 2,5 Millionen Euro bezahlt hat, liegen natürlich vor, und kommen bei den derzeit laufenden Sanierungs- und Umbauarbeiten auch zum Einsatz. So wurden die Seitendächer der Halle abgedichtet, die Standfestigkeit der Halle erhöht und die denkmalgeschützten Fenster im großen Saal erneuert. In diesen Tagen schreiten die Arbeiten im Kleinen Saal voran, der zum 1. Juni als bespielbare Baustelle öffnen soll.
So sind in den vergangenen Jahren über vier Millionen Euro in die Stadthalle geflossen, interessanterweise ist von höheren Baukosten oder Verzögerungen am Bau nichts zu hören. Die Sanierung des Kleinen Saales, um ihn im Sommer nutzen zu können, sollte der Modernisierung der gesamten Halle vorausgehen. Seit im Sommer vergangenen Jahres sich der Bund und das Land bereit erklärt haben, bis zu 36 Millionen Euro für die Stadthalle zu geben, ist deren Umbau realistisch. Die Gelder sind im Finanzplan der Stadt bis 2023 eingeplant. Eine Eröffnung 2024 auf der Grundlage der Planung von 2012 scheint realistisch.
Kommentar SZ:
War es das mit der Stadthalle? SZ-Redaktionsleiter Sebastian Beutler schreibt über die neuen Vorschläge.
Doch nun säen die Berater von Drees & Sommer neue Zweifel: am Konzept, am Umbau, am Zeitplan, an den Kosten. Eigentlich an allem, was noch bis vor vier Wochen als gesichert galt. Von Drees & Sommer stammt schon das Stadthallenkonzept von 2011. Um neuere Daten zu haben, bat die Stadt die Firma ihr Konzept und die vorliegende Planung zu aktualisieren. Die Ergebnisse wurden vor zwei Wochen einer nicht-öffentlichen Runde aus Stadträten und Mitgliedern des Stadthallenausschusses vorgetragen. Danach fand Axel Krüger, der für die Linke in dem Ausschuss sitzt und bei Motor Görlitz zur Stadtratswahl antritt, die Ergebnisse so überzeugend, dass er eine neue Diskussion fordert.
Tatsächlich moniert Roland Müssig von Drees & Sommer, dass bei der Planung 2012 einige Vorgaben nicht umgesetzt wurden. Die Folge: Die Nutzung von Großen und Kleinen Saal sei nur eingeschränkt möglich, die Bau- und Raumakustik nicht optimal, die Garderobensituation und das Flächenmanagement zusammen mit dem Anbau unbefriedigend. Deswegen solle der Stadtrat noch einmal grundsätzlich über die Stadthalle beraten.
Müssig macht kein Hehl daraus, dass er mehr Mut erwartet, um die Vorzüge der Stadthalle richtig zum Tragen zu bringen. Ihre einzigartige Akustik, die sie vergleichbar macht mit dem Wiener Musikverein, bekannt durch die Neujahrskonzerte der Wiener Philharmoniker, oder dem Konzerthaus in Berlin; ihre weltweit einzige Konzertsaalorgel dieser Größe.
Er empfiehlt die Stadthalle zum Kulturzentrum der gesamten Region zu gestalten, mit Schwerpunkt auf Konzerten, darunter 58 Rock- & Pop-Konzerte im Jahr, aber auch Möglichkeiten für Messen, Tanzveranstaltungen und Kongresse bereitzuhalten. Dafür müsste der geplante Anbau eine Etage mehr erhalten, also zweistöckig ausfallen, um nun doch eine Gaststätte aufzunehmen und zusätzliche Garderobenräume. Der Anbau soll auch nicht mehr auf dem heutigen Parkplatz der Stadthalle errichtet werden, sondern leicht verschoben werden in Richtung Stadthallengarten.
Vieles, was Müssig jetzt vorlegt, ist nicht neu: die Einrichtung einer Gaststätte war schon 2011 geprüft, ebenso die Frage von Garderoben besprochen worden. Die Planer des Görlitzer Büros Wünsche + Langer suchten damals schon die Stadthalle Wuppertal auf, die jetzt als großes Vorbild angeführt wird. Und die Abstriche an der Akustik sind seit 2012 bekannt – aus Kostengründen.
Nun aber, so hieß es in der nicht-öffentlichen Runde, stehe ja mehr Geld zur Verfügung. Das könnte sich als Irrtum erweisen. Die großen Varianten von 2012 kosteten schon damals über 40 Millionen Euro. Die Bauinflation beträgt rund drei Prozent pro Jahr. Sollte 2022 mit dem Bau begonnen werden, würden diese Pläne wohl nicht weniger als 50 bis 55 Millionen Euro kosten – viel mehr Geld, als zugesagt ist. Und geplant muss sowieso völlig neu.
Die Stadträte sollen nun abwägen, ob sie Drees & Sommer mit weiteren Untersuchungen, vor allem der Wirtschaftlichkeit wegen, für den neu vorgeschlagenen Weg beauftragen, abwarten und frühestens im Herbst neu entscheiden oder doch auf der alten Planung mit all ihren Vorzügen oder Nachteilen die Sanierung der Stadthalle noch vor der Kommunalwahl angehen wollen – so wie es OB Deinege angekündigt hat. Das Görlitzer Rathaus lehnte gegenüber der SZ Informationen über die neuen Pläne ab. „Der Stadtrat wird vorerst weiter nicht öffentlich beraten“, teilte der Sprecher des Rathauses mit. Auf ein Wort - Der Frühjahrsputz im Stadthallengarten beginnt 9.30 Uhr an diesem Sonnabend. Geräte sind mitzubringen.